Erwartung
Ich nehme mir Zeit, fahre raus, möchte ein wenig Moos sammeln, die frische Luft atmen und meine Gedanken, mehr noch mein Herz, zum Advent hin lenken lassen von dem, der den Geist wehen lässt, wo ER will.
Ich finde frisches, grünes Moos an einer Stelle, wo ich noch nie war. Grosse Steinbrocken sind bewachsen und leuchten vom lebendigen Grün. Ich atme tief durch, der Geruch vom Moos trägt mich wie an geheimnisvolle Orte, die friedlich und unberührt sind und vom Krieg nichts wissen. Und da ist dann der Erste Adventssonntag nun. Er liess sich nicht verdrängen von Kriegsdrohungen, von globaler Angst vor einem grossen Krieg, von den Naturkatastrophen. Er lässt sich auch nicht vertreiben von meinem manchmal nagenden Zweifel, ob ich - ob wir - Euch heuer überhaupt diesen Adventskalender schreiben dürfen – angesichts eben der Weltlage – ob das nicht alles banal geworden ist – auch die adventlichen Vorbereitungen. Und mir fällt ein: „Wenn das alles geschieht, dann erhebt Eure Häupter….“. Das Moos ist im Eimer und ich streife noch weiter in Richtung meines Orchideenwaldes. Als der in Sicht ist, erstarre ich: alles ist schwarz, die Kiefern sind nicht mehr – es ragen schwarze Pfähle wie Totenpfähle in die Höhe, die Sträucher sind wie schwarze knorrige Knochen, das isländische Moos ist auch verbrannt. Erstmal wende ich mich ab, dann aber regt sich etwas in mir. Im Moment ist mir eingefallen, was Papst Franziskus am Welttag der Armen gesagt hat: „Der christliche Glaube muss in uns eine Mystik der offenen Augen hervorbringen“. Ich übertrage diesen Satz nun auch auf das Angucken der Schöpfung, die so abgebrannt ist. Ich beschleunige meinen Schritt und nach hundert Metern stehe ich auf verbrannter Erde. Es ist still, sehr still. Die Wolken, die in den Bergen gerade ausgeregnet haben, ziehen nun über mich dahin und ein Sonnenstrahl traut sich durch. Im Osten bildet sich ein Regenbogen. Mir ist, als habe die Schöpfung ausge-weint und ich gehe weiter durch die verbrannten Bäume und Sträucher. Und da scheint das Grün durch. Die Erde hat neues Leben seit dem August hervorgebracht. Die ersten Pflanzen sind wieder da, ein Alpenveilchen unter einem Felsbrocken hat den Brand überlebt und blüht und versprüht die rosa Farbe, die für vollkommene Freude steht.
Erwartung des Adventes! Ich habe die Botschaft der offenen Augen ein klein wenig mehr verstanden und wünsche dies Euch allen: die Mystik der offenen Augen!